Raus aus der (Sitz-)Trägheitsfalle
Sitzen dominiert unseren Alltag. Die aktuelle Forschungslage macht deutlich, dass bei Weitem nicht nur Rückenbeschwerden ihre Ursache im Dauersitzen haben. Zusam- mengenommen sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse so aussagestark, dass sie in den Medien ganz zu Recht mit „Sitzen ist das neue Rauchen“, „Sitzen ist tödlich“ oder „Sitzen macht dumm“ überschrieben werden. Insbesondere ein über Stunden ausgeübtes passives Sitzen stellt das zentrale Gesundheitsrisiko für multiple Krankheitsbilder dar und begünstigt die Zunahme des Mortalitätsrisikos (1). Und dies gilt unabhängig von körperlichen Aktivitäten wie Sport oder Fitness in der Freizeit (2). Grundübel ist eine über Stunden aufrechterhaltene Inaktivität, der negative Effekt reduzierter Muskelaktivität auf metabolische Prozesse.
Bewegung im Alltag:
Integration statt Kompensation
Die entscheidenden Säulen für ein gesundes Leben sind: Sozialkontakte, ausgewogene Ernährung und vor allem regelmäßige Bewegung. Immer mehr Studien belegen die genetisch hinterlassene Abhängigkeit moderater, aber regelmäßiger körperlicher Aktivität. Sie sind zur Aufrechterhaltung gesunder körperlicher, geistiger und emotionaler Wechselwirkungsprozesse von entscheidender Bedeutung. Unsere Arbeits- und Lebensräume des Alltages sollten folglich ein bewegtes Verhalten regelmäßig einfordern. Variable Positionsveränderungen sowie räumliche Wechsel können sich dann bedarfsgerecht und selbstorganisiert ergeben, ohne dass sie uns immer bewusst sind. Ein solch spontanes und bewegtes Verhalten entfaltet sich stets dann, wenn ein direkter „Versorgungsbedarf“ biologischer Funktionen erforderlich ist. Ein typisches Beispiel ist der selbstorganisierte Spiel- und Standbeinwechsel beim freien Stehen oder das Hin- und Hergehen beim Telefonieren. Diesen Aktivitäten wird ein günstiger Verlauf auf unsere körperlichen, geistigen und emotionalen Prozesse attestiert (3).
Räume brauchen Raum für Bewegung
Arbeits- sowie Raumkonzepte, die den Menschen ausschließlich an seinen Com- puterarbeitsplatz „fesseln“ sind folglich nicht human und letztlich auf Dauer auch wenig wirtschaftlich. Aktuelle Studien belegen, dass regelmäßige Unterbrechungen des Sitzens, deren gesundheitsschädigende Wirkungen mildern können.4 Je nach Tätigkeit sollte im Büro maximal vier bis fünf Stunden gesessen werden und immer wieder durch temporäres Stehen sowie viele fußläufige Bewegungen in den Innen- und Außenräumen unterbrochen werden.
Gesunde Büroarbeitsplätze: Bewegungsfördernd und AGR-zertifiziert
Das Büro muss zu einem Ort des Wohlbefindens werden. Dazu gehört neben viel Tageslicht, guter Akustik und frischer Luft ein Angebot an variabler Raumgestaltung. Ein gesunder Mix aus gemeinsam und einzeln genutzten Räumen bietet Mitarbeitern die Möglichkeit für aufgabenangepasste sowie bedarfsgerechte innere und äußere Haltungswechsel, wie beispielsweise:
- offene, gemeinschaftlich genutzte Flächen (Cafeteria; Bereiche für informelle Gespräche, kleine Teamsitzungen)
- Rückzugsbereiche für vertrauliche Gespräche, zur Entspannung
- Besprechungsräume für Teamsitzungen oder Präsentationen
- Einzelbüros für konzentriertes Arbeiten
- wenn gegeben, Außenbereiche (Garten, Balkon, Park) für den informellen Austausch oder Kleingruppengespräche – „Walk and Talk“
Daran anknüpfend richten sich die Erfordernisse an eine ergonomische, AGR zertifizierte mobiliare Ausstattung zur Unterstützung von individuell bevorzugten physiologischen Arbeitshaltungen. Hierzu gehören u. a.:
Sitzmobiliar
- Bürostühle mit Synchronmechanik und Sitzneigefunktion
- Aktiv-Bürostühle sowie Aktivsitzmöbel mit sich mehrdimensional bewegen- der Sitzfläche zur Unterstützung eines lebendiges Sitzens
- Konferenzstühle mit flexibler Sitzfläche
- Sitz-Stehhilfen, Hochstühle mit mehr- dimensional beweglicher Sitzfläche und Fußring für Besprechungsräume oder Steharbeitsplätze
- Lounge Möbel mit akustische Dämmung als Ort des Rückzugs, der Entspannung oder geschützter Privatgespräche.
Stehmobiliar
Sitz-/Stehpulte für physiologische Positionswechsel am Einzelarbeitsplatz und in Besprechungsräumen. Ergänzend hierzu Sitz-Stehhilfen, Stehmatten für ermüdungsfreieres, dynamisches Stehen.
Variabel einsetzbare Stehtische für temporäre und flexible Nutzung mit feststehen- der Höhe (ca. 105 cm-110 cm), feststellbaren Rollen und formangepasster Fußstütze. Sie weisen ein Ausmaß auf, dass sie durch jede Tür bewegt werden können, so dass sie flexibel an verschiedenen Orten und in verschiedene Situationen zur Anwendung kommen:
- spontane Kleingruppengespräche in offenen Bereichen, temporäre Nutzung an unterschiedlichen Orten
- Tagungs-/Besprechungsräume: Hier können mehrere einzelne Tischelemente entsprechend der Gruppenstärke beliebig kombiniert werden (Klein- gruppe / Großgruppe). Hochstühle mit Fußring auf Rollen und mit mehrdimensional beweglicher Sitzfläche / alternativ Sitz-Stehhilfen helfen bei Ermüdung. Mobile Stellwände (magnethaftend, pinnfähig, beschreibbar) für Raumaufteilung. Vorteil dieser mobiliaren Zusammenstellung: hohe Variabilität sich spontan ergebender Positionswechsel, alle Teilnehmer befinden sich immer auf „Augenhöhe“.
- Stehelemente als feste „Inseln“ in zentralen Bereichen für informelles Zusammenkommen (offene Bereiche, Cafeteria).
Darüber sollte das Büro idealerweise über einen Raum der Stille (regenerierender „Powernap“) und Räume für körperliche Aktivität oder entspannende Spiele verfügen. Diese definierten Räume geben Sicherheit, dass ein solcher Bedarf soziale Anerkennung genießt.
Quelle:
Dr. Dieter Breithecker Bundesarbeitsgemeinschaft Haltungs- und Bewegungsförderung e. V.
Wiesbaden
1 u. a. Dunstan et al 2010, Katzmarzyk et al 2009, 2 Ekblom-Bak 2010, Schmid et al 2014, 3 Bays 2009, Haffner 2007, 4 Healy et al 2011, 5 Buckley et al 2015