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aus der Stuttgarter Zeitung - Ausgabe Kreis Böblingen vom 12.05.2015

Technik Falsche Einstellungen von Sattel und Lenker bewirken eine ungünstige Haltung. Klaus Zintz (Text) u. Oliver Biwer (Grafik)

Stuttgart Der Fahrradhändler war resolut: 'So geht das nicht', meinte er zu dem nach seiner Meinung viel zu tief eingestellten Sattel. Seit er das Sitzmöbel in die allgemein von Fachleuten empfohlene Position gebracht hat, liegt die Ferse beim Treten satt auf dem Pedal auf. Dafür ist nun der Halt an der roten Ampel etwas wackelig: Um halbwegs sicher mit einem Bein auf dem Boden stehen zu können, muss das Rad ein bisschen stärker geneigt werden.

Aber daran kann man sich gewöhnen. Viel wichtiger ist tatsächlich, dass Beine und Muskeln beim Treten optimal eingesetzt werden. Wie in der Grafik erläutert, bedeutet das: die Sattelhöhe ist richtig eingestellt, das Pedal wird mit dem vorderen Fußteil getreten, Ober- und Unterschenkel bilden bei obenstehendem Pedal höchstens einen Winkel von 90 Grad, und die Arme sind während der Fahrt leicht angewinkelt.

Spätestens wenn regelmäßig die Hände beim Fahrradfahren einschlafen, dann sollte man sich über die richtige Fahrposition Gedanken machen - denn Handprobleme werden sehr schnell zu Rückenproblemen. Das unangenehme Kribbeln in den Fingern ist oft ein Hinweis auf abgeknickte Hände oder Probleme im Schulter- und Nackenbereich. All das deutet auf eine falsche Haltung beim Radfahren hin.

Die häufigsten Fehler: zu tief und zu aufrecht sitzen sowie mit rundem Rücken unterwegs sein. Eine geneigte Sitzposition ermöglicht bei ausreichendem Abstand zwischen Sattel und Lenker die natürliche S-Form der Wirbelsäule, betont der Fahrradclub ADFC. So werden Arme und Hände entlastet - und die Nackenmuskulatur auch, weil der Kopf nicht allzu sehr nach hinten gelegt werden muss. Dabei ist auch die richtige Lenkerposition wichtig. Sie sollte nicht zu hoch sein, wobei sich die Höhen zwischen Lenker und Sattel um höchstens fünf Zentimeter unterscheiden sollten. Gut ist es, wenn Schultern und Lenker gleich breit sind.

Der richtige Fahrstil trägt ebenfalls dazu bei, Muskeln und vor allem Sehnen und Gelenke zu schonen. Viele Radler neigen dazu, allzu kräftig in die Pedale zu treten, weil das bequemer ist als schnelles Kurbeln. Vorteilhaft ist es aber noch lange nicht, weder für den Körper noch für das Material. Der ADFC empfiehlt 80 bis 100 Pedal-Umdrehungen pro Minute, und zwar unabhängig von der Geschwindigkeit. Eine höhere Trittfrequenz ist vor allem bei Steigungen und bei Gegenwind sinnvoll. Mit elektronischen Trittzählern lasse sich die Trittfrequenz leicht ermitteln, sagen Experten. Man kann aber auch immer mal wieder einfach eine Minute lang die Beinbewegungen mitzählen - und dann seine Fahrweise entsprechend anpassen.

Erstaunlich viele Radfahrer machen sich das Radeln unnötig schwer - ganz einfach, weil sie nicht auf ausreichend viel Luft in den Reifen achten. Schließlich verringern prall aufgepumpte Pneus den Rollwiderstand. Zudem verschleißen sie nicht so schnell. Drei bar sollten es mindestens sein, mit vier bis sechs bar ist man vielleicht nicht komfortabler, dafür aber leichter und schneller unterwegs. Ein Tipp: mit einem entsprechenden Adapterstück kann man mit den für Autoreifen vorgesehenen Füllgeräten an der Tankstelle auch Fahrradpneus mit ausreichend Luft versorgen.

Bleibt zum Schluss das Thema Sicherheit. Der wohl wichtigste Beitrag hier ist eine defensive und
vorausschauende Fahrweise. Die Gefahr, von anderen zu spät erkannt zu werden, lässt sich mit einem auch bei Tag eingeschalteten Fahrradlicht verringern. Erfreulicherweise sind die neuen LED-Lampen heller als die früher üblichen Funzeln, zudem brauchen sie viel weniger Strom. Die heutigen Nabendynamos sind dabei so effektiv, dass ihr Betrieb beim Treten kaum spürbar ist. Und sie sind ökologischer als Batterien und Akkus, die seit 2013 neben dem Dynamo als Stromquelle für die Fahrradbeleuchtung zugelassen sind.

Und wie sieht es mit dem Fahrradhelm aus? Eine Helmpflicht gibt es zwar nicht, aber der Rat der Stiftung Warentest, die auf der Prüfung vieler Helme basiert, gibt doch zu denken: 'Wenn Sie beim Radeln keinen Helm tragen, riskieren Sie bei einem Unfall schwerste Kopfverletzungen. Ein Helm mindert das Risiko deutlich. Die Gehirnerschütterung bei einem schlechten Helm ist immer noch glimpflicher als der Schädelbruch ohne Helm. Bei einem guten Helm gibt es noch nicht einmal Kopfschmerzen.' Bleibt nur noch die Anmerkung, dass ein Unfall in der Regel völlig überraschend kommt. Und dann nimmt oft genug die Physik gnadenlos ihren Lauf, so dass der stürzende Radfahrer nur noch hoffen kann, halbwegs glimpflich zu landen.

// Eine interaktive Version der Grafik finden Sie unter unter www.stuttgarter-zeitung.de/wissen-computer

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